10 Sack Kartoffeln für einen Pflug

Sitzt du am Abend eines guten, warmen Tages allein vor dem Haus und siehst in den sternenklaren Himmel, gibt es nur noch dich und das unergründliche Universum und deine Gedanken fliessen ungehindert und verlieren sich im Nirgendwo. Es könnte ewig so bleiben, wären da nicht der nächste Tag und der Rest der Welt, die deine Aufmerksamkeit erfordern ob du es willst oder nicht.

Da sind sie dann wieder alle versammelt: Griechenland-Krise, Flüchtlings-Krise, Klimawandel, Terrorismus, Populismus, Fake-News, Brexit, Erdogan, Putin, und Trump. Während ich nun seit gut einem Jahr damit beschäftigt bin, mir ein Weltbild zusammenzusuchen, welches nicht direkt aus der täglichen Medienberieselung stammt, sondern durch zielgerichetes Recherchieren im Internet aus vielen einzelnen Puzzleteilen zu einem stimmigen Ganzen werden soll, steigt der Bitcoin-Kurs von 707 auf 7383 Franken. In den Medien wird berichtet. Die Kryptowährungen werden thematisiert, und ebenso wie ich selber fragen sich viele: „Habe ich etwas verpasst?“.

Mein Weltbild-Puzzle hatte mich zur Erkenntnis geführt, dass die Welt, in der ich lebe, offiziell für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte steht, die Menschen in Wahrheit aber in Unfreiheit leben, vom Geld regiert werden und im Kampf „Jeder gegen Jeden“ ihren Lebensraum unwiederbringlich zerstören. Eine Überraschung war für mich zu erkennen, dass in diesem Spiel der Mächte das Finanzsystem über den Regierungssystemen steht und mit seiner exzeptionellen Stellung über Krieg und Frieden, Armut und Reichtum, Diktatur und Demokratie bestimmen kann und das auch tut. Der Kapitalismus hat sich durchgesetzt, sein Gott ist der gehobene Wohl- und sein Fetisch der Konto-Stand. Darum dreht sich alles und nun das: Die Kryptowährung erscheint mit einem Riesenknall auf der grossen Weltbühne. Da konnte ich einfach nicht anders, ich musste der Sache nachgehen.

Satoshi Nakamoto, der unbekannte Erfinder.

Im Januar 2009 wurden durch einen Entwickler mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto die ersten 50 Bitcoin erzeugt. Bis heute ist nicht bekannt, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Die allererste Kryptowährung beginnt mit einer geheimnisvollen Legende um ihren Erfinder. Der Wert eines Bitcoin stieg im April 2013 auf 100, im Dezember 2013 auf 1000 Franken. Der Kurs sank bis 2015 wieder auf 250 Franken, stieg 2016 auf 600 Franken und explodierte im Oktober 2017 auf über 7000 Franken. Der Wert für die derzeit existierenden 16 Millionen Bitcoins beträgt 112 Milliarden Franken. Also in 8 Jahren von 0 auf 112’000’000’000, so etwas schafft nicht einmal ein F1-Bolide. Was die alten Alchemisten versuchten, nämlich aus dem Nichts Gold zu schaffen, ist also endlich einem geheimnisumwitterten Unbekannten namens Satoshi Nakamoto gelungen. In seinen Code einprogrammiert hat er auch, dass es mit 21 Millionen Bitcoins genug ist. Mehr davon wird es niemals geben. Hast du deinen schon?

Supersicher, steil ansteigende Kurse, also jetzt!

Die Zeit ist gekommen, nichts wie los. Am besten gleich praktisch, also Bitcoin erwerben, habe ich mir gesagt. Die erste Nachricht ist, dass du bevor du dich darauf einlässt unbedingt verstehen solltest, wie das ganze funktioniert. Und dass du möglicherweise alles verlierst, was du in Kryptowährungen getauscht hast. Die zweite Nachricht ist, dass du einen privaten Schlüssel zu deinem Bitcoin-Konto brauchst, den du dir auf gar keinen Fall von jemandem wegnehmen lassen oder gar selber verlieren darfst. Sonst ist dein Krypto-Geld unwiederbringlich weg. Am Besten auf einen Zettel schreiben, wasserdicht laminieren und in einem Schliessfach bei der Bank deines Vertrauens aufbewahren. Wenn’s ums Geld geht wird’s ernst!

Es gibt natürlich noch andere, allerdings weniger sichere dafür aber praktischere Möglichkeiten. Du benützt einen Webservice, du installierst eine Software oder eine App. Alles gratis und franko. Damit bist du dann wieder in der Jetzt-Zeit angelangt, wo du Social-Media-Nutzung mit deinen persönlichen Daten bezahlst. Ist ja Wurst, ich will es ja nur ausprobieren also dann the Easy-Way.

Wenn du bis hierhin durchgekommen bist und dich die Details nicht wirklich interessieren, dann verstehe ich das vollkommen. Du kannst jetzt direkt das vorläufige Fazit ganz am Ende lesen.

Es folgen jetzt mein Erfahrungsbericht sowie Informationen zum Blockchain-System für diejenigen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben.

Ich habe mich für den Webservice von „Coinbase“ entschieden. Anmelden auf www.coinbase.com, Identitätskarte beidseitig fotografieren und senden, Kreditkarte eintragen. Die „Wallet“, das digitale Portmonnaie, ist eröffnet. Es werden Bitcoin, Ethereum und Litecoin unterstützt. Ein Euro-Konto erlaubt den Verkauf dieser Währungen gegen Euro und umgekehrt. Wie ich meine Euro wieder zu meiner Bank transferiere weiss ich noch nicht, ich werde sie behalten und mich am Auf und Ab freuen oder ärgern. Es gilt ein Wochenlimit von 325 Euro für Währungs-Käufe. Am 3.11.2017 kaufe ich 2 Litecoin (LTC) für 114.41 Franken. Am 10.11.2017 kaufe ich 1 LTC für 64.81 Franken.

Konkurrenten in Sicht.

Litecoin (LTC) gibt es seit 2011. Es ist technisch eine geringfügige Abwandlung von Bitcoin. Der Gesamtwert steht bei 3,5 Milliarden Franken und damit nimmt LTC unter den Kryptowährungen momentan den 4. Platz ein. Ab 2014 gab es die ersten Ethereum (ETH), die gegen Bitcoin gekauft werden konnten. Inzwischen beträgt der Wert aller ETH 32 Milliarden Franken. Er ist innerhalb von 3 Jahren zur Nummer 2 der Kryptowährungen aufgestiegen. Ebenfalls 2014 wurde Ripple (XRP) gestartet. Ripple hat das Ziel dem bestehenden Finanzsystem mit Hilfe der Bitcoin-Technologie das Leben zu erleichtern und diesem zum globalen, barrierefreien, anonymen Geldverkehr zu verhelfen. Der Gesamtwert von XRP beträgt heute 8 Milliarden und steht damit auf Platz 3. Es existieren mittlerweile ca. 1200 verschiedene Kryptowährungen mit einem Gesamtwert von 180 Milliarden Franken. Die Banken werden entweder selbst etwas auf Beine stellen oder versuchen die Kryptowährungen ganz verbieten zu lassen. Letzteres dürfte aber schwierig bis unmöglich sein, da Kryptowährungen völlig autonom funktionieren können.

Was mache ich jetzt mit meinen 3 Litecoins?

Wenn ich sie unterwegs ausgeben möchte, brauche ich eine App auf meinem Smartphone. Wenn ich sie einigermassen sicher aufbewahren möchte, installiere ich eine Software auf meinem PC, die meine Coins lokal bei mir speichert. Ich mache beides. Die Smartphone-App meiner Wahl heisst „Airbitz“. Sie verwaltet aber nur BTC. Also kaufe ich erst BTC bei „Coinbase“ und sende sie dann auf mein Airbitz-Konto auf dem Smartphone. Ich kaufe 0.01 BTC für 72.54 Franken. Ich sende 0.000764 BTC an mein Airbitz-Konto. Das kostet mich 0.002639 BTC inkl. Gebühren. Hoppla, mehr Gebühren als Geld. Coinbase hatte gewarnt, dass zur Zeit lange Wartezeiten und hohe Gebühren für BTC-Transaktionen entstehen können. Weitere BTC-Transaktionen verschiebe ich bis auf weiteres. Für die lokale Speicherung installiere ich „Exodus“. Ich sende 0.1 LTC auf mein Exodus-Konto. Das kostet mich 0.010045514 LTC. Schon viel besser, 4,5 Promille sind zu viel für’s Blut aber OK für Transaktions-Gebühren.
Mein Besitzstand beträgt 0.008 BTC und 2,9993 LTC
Ausgaben: 72.54 + 114.41 + 64.81 = 251.76 Franken
Guthaben: 0.008 BTC + 2.9 LTC = 239.92 Franken
Verlust: 11.84 Franken (15.11.2017 16:30)
3 Käufe und 2 Übertragungen = 5 Transaktionen getätigt.
Coins auf 3 verschiedenen Platformen parkiert.
Lehrgeld bezahlt.

Der Unterschied von Kryptos zu $, €, £ & Co.

1. Bitcoin sind ans globale Internet gebunden, die traditionellen Währungen an Institutionen wie die Amerikanische Notenbank (FED), die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Schweizerische Nationalbank (SNB).
2. Sämtliche Bitcoin-Transaktionen werden in einer einzigen verschlüsselten Datei aufgezeichnet, welche tausendfach im Netzwerk vorhanden ist und bei jeder neuen Transaktion global und dezentral auf den neusten Stand gebracht wird. Transaktionen von traditionellen Währungen werden zentral, durch Zentralbanken, Geschäftsbanken, Kreditkarten-Unternehmen etc. durchgeführt und verwaltet.
3. Bitcoins können weltweit elektronisch von Individuum zu Individuum transferiert werden. Bei traditionellen Währungen ist das nur lokal mit Münzen und Noten nicht aber mit Buch- oder Giralgeld möglich.
4. Die maximale Anzahl BTC ist auf 21’000’000 beschränkt. Normale Währungen können in beliebiger Höhe erzeugt werden.

Natürlich ist das noch lange nicht alles, aber wer sich ein wenig mit dem Geldwesen auskennt ahnt schon, welche Gefahr der Bitcoin für das allmächtige globale Finanzsystem bedeutet. Der weltweite Zahlungsverkehr könnte völlig ohne Banken und andere Finanzdienstleister an staatlicher Einflussnahme vorbei abgewickelt werden, wenn die Menschen mehr Vertrauen in den Bitcoin als ins traditionelle Finanzsystem legen würden.

WWW, P2P und die Blockchain machen’s möglich.

Das Internet schafft den virtuellen Raum, zu dem Menschen, Maschinen, Geräte, Fahrzeuge etc. weltweit Zutritt haben. In diesem Raum können direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen hergestellt werden. Wenn die Kommunikation im Netz zwischen zwei Punkten verschlüsselt stattfindet, hat ausser den beiden (und den Geheimdiensten) nichts und niemand Kenntnis vom vermittelten Inhalt. Die wahre Innovation am Bitcoin ist die Blockchain. Diese verschlüsselte, im Internet dezentral tausendfach vorhandene Buchhaltung macht es aus. Der Inhaber eines Bitcoin-Kontos erhält einen privaten Schlüssel. Mit diesem bestätigt er jede Transaktion, die sein Konto betrifft. Haben beide Teilnehmer bestätigt, wird die Transaktion geprüft, ausgeführt und eingetragen. Keine Transaktion kann je gelöscht und somit auch nicht rückgängig gemacht werden.

Vorläufiges Fazit:

Statt 10 Sack Kartoffeln für einen Pflug zu tauschen, kann der Bauer dem Schmied per Smartphone den Wert des Pflugs in Bitcoin senden. Der Schmid kann damit 10 Sack Kartoffeln bei einem Händler kaufen, sofern dieser Bitcoin akzeptiert. Das tut er dann, wenn der Bauer für seine Kartoffeln ebenfalls Bitcoin in Zahlung nimmt. Es gibt am 15.11.2017 gemäss Liste auf der SBB-Seite in der Schweiz genau 16 Akzeptanz-Stellen für BTC, eine davon in Winterthur. Kartoffeln und Pflüge sind keine dabei. Schade. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Einkaufen geht noch nicht. Sparen ist zu riskant. Spekulieren ist Geschmackssache. Aber – meine Prognose: Keine 5 Jahre wird’s mehr dauern und die Blockchain-Währung wird sich durchgesetzt haben.

4 thoughts on “10 Sack Kartoffeln für einen Pflug”

  1. Ich habe schon einige Artikel über Kryptowährungen gelesen, habe aber nie wirklich verstanden, wie diese funktionieren. Obwohl du mir das sehr ausführlich verständlich machen willst, begreife ich es immer noch nicht. Sorry. Das Gefühl, dass sich da noch mehr Türen öffnen für kriminelle Transaktionen, bzw. Machenschaften werde ich nicht los. So sage ich mir: Hände weg! Egal ob sich die Blockchain-Währung in 5 Jahren durchsetzen wird. Dann bin ich 76 Jahre alt. Sollen sich die Jungen damit herumschlagen… Kartoffeln kaufe ich weiterhin beim Bauern direkt, kiloweise.

    Gruss Röbi

  2. Max, grüss Dich.
    Offenbar habe ich gewisse Ähnlichkeiten mit Röbi. Das Ver-gnügen, ihn in der realen Welt kennen zu lernen um obiges zu überprüfen, hatte ich bislang nicht. Allerdings hat mir die Lektüre deiner Geschichte Spass gemacht. Sich eingestehen zu müssen, dass man letztlich „nur Bahnhof“ versteht, weckt aber auch Ängste, mal mehr, mal weniger. Ähnlich wie die Kursschwankungen der Kryptowährungen. Was bleibt ist die Hoffnung, dass das Abstellgleis, auf dem man manchmal fürchtet sich zu befinden, für den persönlichen Überblick noch genügend hoch liegt.
    Zufall, dass im letzten Tagi-Magi zum selben Thema ein Artikelzu finden ist. Ebenfalls lesenswert.
    Gruss, Willy

  3. Lieber Max

    Bis jetzt hat mir ganz einfach der Mut gefehlt, mich auf das Blockchain-System einzulassen. Danke Max, dass Du mir, mit der Kartoffelgeschichte, eine Motivationsspritze gegeben hast!

    Bei mir sind die Kartoffeln das Olivnöl aus Italien. Dieses bezahle ich traditionell über das Bankensystem. Das kostet meine Olivicoltori für Beträge von 500 bis 1200 Euro Bankgebühren von 30 bis 50 Euro. Dies, weil es in Italien keine Nationalbank gibt, die den Geldtransfer (so wie wie bei uns) koordiniert. Mit Bitcoins fielen keine Bankgebühren an, was für meine „kleinen“ Olivenbauern und ihre Existenz sehr zu wünschen wäre. So hoffe ich, dass ich in nächster Zukunft das Olivenöl via Blockchain bezahlen kann!

    Danke und lieben Gruss
    Fredl

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