Die ID-Entität

Wer bin ich und wie beweise ich das?

Nachdem mich meine Mutter geboren hatte, schrieb der Gemeineschreiber nach einiger Zeit meinen Namen mit Federhalter und Tinte ins Familienbüchlein. Für eine Ferienreise erhielt meine Mutter den Eintrag „Frau Peter reist mit ihren Söhnen“ in ihren Pass geschrieben und die Vornamen dieser Söhne wurden eingetragen. Als ich geheiratet hatte, bekam meine neu gegründete Familie ihr eigenes Familienbüchlein, welches bei der Einwohnerkontrolle gehütet wurde. Gegen Vorweisen des Schriften-Empfangsscheins konnte dieses Familienbüchlein eingesehen, kopiert oder behändigt werden.

Wer hat das Büchlein?

Als meine geschiedene Frau AHV-Bezügerin werden wollte, wurde zur sicheren Identifikation das Familienbüchlein verlangt, sie fand es nicht bei ihren Unterlagen und vermutete, dass ich dieses hätte. Hatte ich nicht. „Versuch doch, die Anmeldung ohne das Büchlein abzuschicken“, war mein Rat. Ich dachte mir, dass die Behörden heutzutage vielleicht andere Methoden hätten, um eine Mitbürgerin sicher zu identifiziern und wozu dient eigentlich die AHV-Nummer?? Wie immer 😉 hatte ich natürlich recht: Das Renten-Geld sprudelt und der Verbleib des Familienbüchleins hat keine Bedeutung mehr. Als dann meine Freundin vor dem selben Problem stand, nämlich das verflixte Büchlein von ihrem Ex-Mann zu bekommen, konnte ich sie beruhigen und ihr den selben Rat wie oben geben.

Die ID-Entität

Füge ich in den Begriff „Identität“ ein kleines Strichlein an der richtigen Stelle ein, bekommt das neue Wort in der Schreibweise „ID-Entität“ eine selbsterklärende Bedeutung. Zu Deutsch verstehe ich jetzt darunter in etwa folgendes: Mit einer Kennung versehenes Wesen. In der Datenbank-Praxis ist die „ID“ eines Datenbank-Eintrags einzigartig, das heisst, sie kann nur einmal als Identifikator eines Eintrags in dieser Datenbank vorhanden sein. Der Begriff Entität bezeichnet laut Wikipedia in der Philosophie ein Seiendes und in der Informatik ein eindeutig zu bestimmendes Objekt im Datenmodell.

Das Familienbüchlein

Das Familienbüchlein war ein Dokument, welches Ehegatten bei der Heirat erhielten und welches über den Bestand der Familie Auskunft gab. Das Büchlein war bei Geburten, Todesfällen und beim Umzug in eine andere Wohngemeinde dem Zivilstandsamt vorzulegen.
Mit der Einführung des schweizweiten elektronischen Registers „Infostar“ wurde das Familienbüchlein abgeschafft. Es wurde 2005 durch den Familienausweis, einem Auszug aus den Einträgen in „Infostar“ ersetzt.

Ein früher Stern am ID-Himmel

Mit Hilfe der Infostar-Datenbank werden seit dem 1. Januar 2005 alle Zivilstandsereignisse der Schweizer Wohnbevölkerung sowie von Auslandschweizern beurkundet. Wurden die Zivilstandsereignisse und Familienbeziehungen im Familienüchlein noch familienweise aufgeführt, geschieht dies in „Infostar“ individuell, das heisst personenbezogen. Zugriff auf „Infostar“ haben die Zivilstandsbehörden, die ausstellenden Behörden für Ausweise von Schweizer Staatsangehörigen sowie die Bundesstellen, die für die Führung des Fahndungssystems und des Strafregisters zuständig sind. Mit dem Ersatz des Familienbüchleins durch den Familienausweis wurde die Entität „Familie“ durch die Entität „Einzelperson“ ersetzt.

Der Raketen-Start

Der Zufall wollte es nun, dass ich den Blick-Am-Abend in die Finger bekam und dass dieser ausgerechnet eine Spezialausgabe zum 1. Schweizer Digitaltag, dem 21. November 2017 war, an dem Bundesrätin Doris Leuthard gemäss Zitat in diesem Gratis-Blatt die „Digital-Rakete“ zündete. Die Schlagzeile „Der digitale Personalausweis kommt!“ sprang mir sofort ins Auge, und da ich gerade am Bitcoin/Blockchain-Fieber leide, war mir klar, dass die elektronische Identität jedes Erdenbewohners in eine Blockchain gehört. Ich las den Artikel, weil ich erfahren wollte, ob Doris Leuthard auch schon so global denkt oder vielleicht doch noch nicht. Ich erfuhr darin, dass sie die technische Umsetzung an die Vereinigte Finanzwirtschaft delegiert und darauf vertraut, dass diese die „E-ID für alle“ mit einer genügend grossen Kelle zubereitet.

Das Empirium prescht vor

Der Plan geht so: Es wird eine E-ID-Firma gegründet. Aktionäre mit je 17,5% sind Post, SBB und SIX, der Dienstleister der Finanzbranche, der die Finanzplatz-Infrastruktur der Schweiz betreibt, soeben den CEO ausgewechselt, Stellenabbau angekündigt und sich gerade komplett neu ausgerichtet hat sowie mit je 6,857% ZKB, Raiffeisen, CreditSuisse und UBS, dann mit mit dem Rest die Versicherungen (z.ZT. Die Mobiliar). Sie alle werden uns demnächst die E-ID anbieten und versprechen, dass sie für uns damit das Problem der tausend Benutzernamen und Passwörter ein für allemal und erst noch gratis und franko lösen werden. Den Anfang macht die Post noch in diesem Jahr, dann folgen die SBB 2018, danach Banken, Versicherungen und Behörden. Der Erfolg der E-ID hängt von der Akzeptanz der Nutzer ab, machen wir uns also auf eine gigantische Propagandawelle für die „E-ID für alle“ gefasst. Mit der Einführung der E-ID wird die Entität „Einzelperson“ durch die Entität „Wirtschaftsteilnehmer“ ersetzt.

Im selben Boot

Wir alle plagen uns seit geraumer Zeit mit dem Passwort-Problem ab: Wir haben Zutritt durch Logins bei allen möglichen Entitäten wie Computer, Smartphone, E-Mail, Bank, Krankenkasse, Steuererklärung, Google, Facebook und … und … und. Wir sollen möglichst sichere, unterschiedliche Passwörter verwenden, die wir dann auch noch ab und zu ändern sollten, damit sich Cyber- und andere Kriminelle nicht in unserem Namen Zugriff auf sensible Daten ergaunern. Die E-ID möchte diese Unbequemlichkeiten ein für allemal und endgültig aus der Welt schaffen. Pro Entität eine ID und fertig.

Wirtschaft und Politik

Wirtschaftsteilnehmer sind Anbieter und Abnehmer, Personen und Firmen, Institutionen und sogar Dinge bis hin zu mit Sendern bestückten aussterbenden Tierarten, Robotern und unbemannten Fahr- und Flugzeugen, die ja auch irgendwann „essen“, das heisst Treibstoff oder Updates laden müssen. Sie brauchen im digitalen Zeitalter, genau wie du und ich, eine Identität um ihr täglich Brot abzugelten. Dass die E-ID in der Schweiz nicht durch die Behörden, sondern durch die Privatwirtschaft vergeben wird, bestätigt mich in der Erkenntnis, dass sich die Politik hierzulande längst dem Finanzsystem untergeordnet hat und diesem euphorisiert hinterher traumwandelt.

Der Stand der Dinge

ZG: Die Stadt Zug vergibt seit Mitte 2017 ihren Bürgern als „weltweit erste Stadt eine E-ID“ auf der Basis der Ethereum-Blockchain.
CH: Die Schweizer Wirtschaft gründet noch im selben Jahr einen E-ID-Vermittler Namens „Swiss Sign Group“ und legt dem Bund durch die „Swiss Data Alliance“ ein Konzept-Papier für ein Gesetz über die E-ID vor. Der E-ID-Vermittler wird sich mit Hilfe einer Blockchain zwischen den Dienstleister und den Kunden schalten, so wie das andere auch tun: „Mit Facebook/Google anmelden“, man kennt das schon. Beim Bund sollen die Identitätsdaten der Kunden dann regelmässig überprüft, aktualisiert und mit den Dienstleistern ausgetauscht werden. Die Beteiligung des Bundes soll das Vertrauen der Kunden in die E-ID stärken und ihre Akzeptanz fördern.
EU: Die Europäische Union plant den „Digital Single Market“ und setzt die Richtlinien durch „CEF Building Blocks“ fest.
US: Die USA erlassen die „NIST Digital Identity Guidelines“. Was der Rest der Welt unternimmt, um alles einheitlich zu nummerieren, was da so kreucht und fleucht, mag ich jetzt nicht auch noch recherchieren.

One-For-All

Eine ID, Eine Währung, Eine Datenbank. Das wird so sicher kommen, wie der Weltuntergang, ob mit oder ohne Rakete. Obwohl mit der Blockchain-Technik theoretisch überflüssig, möchten die Finanzdienstleister diese dazu nutzen, Kosten zu sparen und überhaupt im Geschäft zu bleiben bevor der dezentrale globale Geldverkehr sie komplett aus dem Rennen wirft. Ich wünsche uns allen einen erfolgreichen Flug ins All. Und hoffentlich wird eine Win- oder eine Win-Win- oder sogar Die-Win-Win-Win-Geschichte daraus. Und wenn es denn irgendwie möglich wäre, bitte Win-For-All. Wir ziehen ja alle am selben Strick aber vielleicht nicht immer auf derselben Seite.

10 Sack Kartoffeln für einen Pflug

Sitzt du am Abend eines guten, warmen Tages allein vor dem Haus und siehst in den sternenklaren Himmel, gibt es nur noch dich und das unergründliche Universum und deine Gedanken fliessen ungehindert und verlieren sich im Nirgendwo. Es könnte ewig so bleiben, wären da nicht der nächste Tag und der Rest der Welt, die deine Aufmerksamkeit erfordern ob du es willst oder nicht.

Da sind sie dann wieder alle versammelt: Griechenland-Krise, Flüchtlings-Krise, Klimawandel, Terrorismus, Populismus, Fake-News, Brexit, Erdogan, Putin, und Trump. Während ich nun seit gut einem Jahr damit beschäftigt bin, mir ein Weltbild zusammenzusuchen, welches nicht direkt aus der täglichen Medienberieselung stammt, sondern durch zielgerichetes Recherchieren im Internet aus vielen einzelnen Puzzleteilen zu einem stimmigen Ganzen werden soll, steigt der Bitcoin-Kurs von 707 auf 7383 Franken. In den Medien wird berichtet. Die Kryptowährungen werden thematisiert, und ebenso wie ich selber fragen sich viele: „Habe ich etwas verpasst?“.

Mein Weltbild-Puzzle hatte mich zur Erkenntnis geführt, dass die Welt, in der ich lebe, offiziell für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte steht, die Menschen in Wahrheit aber in Unfreiheit leben, vom Geld regiert werden und im Kampf „Jeder gegen Jeden“ ihren Lebensraum unwiederbringlich zerstören. Eine Überraschung war für mich zu erkennen, dass in diesem Spiel der Mächte das Finanzsystem über den Regierungssystemen steht und mit seiner exzeptionellen Stellung über Krieg und Frieden, Armut und Reichtum, Diktatur und Demokratie bestimmen kann und das auch tut. Der Kapitalismus hat sich durchgesetzt, sein Gott ist der gehobene Wohl- und sein Fetisch der Konto-Stand. Darum dreht sich alles und nun das: Die Kryptowährung erscheint mit einem Riesenknall auf der grossen Weltbühne. Da konnte ich einfach nicht anders, ich musste der Sache nachgehen.

Satoshi Nakamoto, der unbekannte Erfinder.

Im Januar 2009 wurden durch einen Entwickler mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto die ersten 50 Bitcoin erzeugt. Bis heute ist nicht bekannt, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Die allererste Kryptowährung beginnt mit einer geheimnisvollen Legende um ihren Erfinder. Der Wert eines Bitcoin stieg im April 2013 auf 100, im Dezember 2013 auf 1000 Franken. Der Kurs sank bis 2015 wieder auf 250 Franken, stieg 2016 auf 600 Franken und explodierte im Oktober 2017 auf über 7000 Franken. Der Wert für die derzeit existierenden 16 Millionen Bitcoins beträgt 112 Milliarden Franken. Also in 8 Jahren von 0 auf 112’000’000’000, so etwas schafft nicht einmal ein F1-Bolide. Was die alten Alchemisten versuchten, nämlich aus dem Nichts Gold zu schaffen, ist also endlich einem geheimnisumwitterten Unbekannten namens Satoshi Nakamoto gelungen. In seinen Code einprogrammiert hat er auch, dass es mit 21 Millionen Bitcoins genug ist. Mehr davon wird es niemals geben. Hast du deinen schon?

Supersicher, steil ansteigende Kurse, also jetzt!

Die Zeit ist gekommen, nichts wie los. Am besten gleich praktisch, also Bitcoin erwerben, habe ich mir gesagt. Die erste Nachricht ist, dass du bevor du dich darauf einlässt unbedingt verstehen solltest, wie das ganze funktioniert. Und dass du möglicherweise alles verlierst, was du in Kryptowährungen getauscht hast. Die zweite Nachricht ist, dass du einen privaten Schlüssel zu deinem Bitcoin-Konto brauchst, den du dir auf gar keinen Fall von jemandem wegnehmen lassen oder gar selber verlieren darfst. Sonst ist dein Krypto-Geld unwiederbringlich weg. Am Besten auf einen Zettel schreiben, wasserdicht laminieren und in einem Schliessfach bei der Bank deines Vertrauens aufbewahren. Wenn’s ums Geld geht wird’s ernst!

Es gibt natürlich noch andere, allerdings weniger sichere dafür aber praktischere Möglichkeiten. Du benützt einen Webservice, du installierst eine Software oder eine App. Alles gratis und franko. Damit bist du dann wieder in der Jetzt-Zeit angelangt, wo du Social-Media-Nutzung mit deinen persönlichen Daten bezahlst. Ist ja Wurst, ich will es ja nur ausprobieren also dann the Easy-Way.

Wenn du bis hierhin durchgekommen bist und dich die Details nicht wirklich interessieren, dann verstehe ich das vollkommen. Du kannst jetzt direkt das vorläufige Fazit ganz am Ende lesen.

Es folgen jetzt mein Erfahrungsbericht sowie Informationen zum Blockchain-System für diejenigen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben.

Ich habe mich für den Webservice von „Coinbase“ entschieden. Anmelden auf www.coinbase.com, Identitätskarte beidseitig fotografieren und senden, Kreditkarte eintragen. Die „Wallet“, das digitale Portmonnaie, ist eröffnet. Es werden Bitcoin, Ethereum und Litecoin unterstützt. Ein Euro-Konto erlaubt den Verkauf dieser Währungen gegen Euro und umgekehrt. Wie ich meine Euro wieder zu meiner Bank transferiere weiss ich noch nicht, ich werde sie behalten und mich am Auf und Ab freuen oder ärgern. Es gilt ein Wochenlimit von 325 Euro für Währungs-Käufe. Am 3.11.2017 kaufe ich 2 Litecoin (LTC) für 114.41 Franken. Am 10.11.2017 kaufe ich 1 LTC für 64.81 Franken.

Konkurrenten in Sicht.

Litecoin (LTC) gibt es seit 2011. Es ist technisch eine geringfügige Abwandlung von Bitcoin. Der Gesamtwert steht bei 3,5 Milliarden Franken und damit nimmt LTC unter den Kryptowährungen momentan den 4. Platz ein. Ab 2014 gab es die ersten Ethereum (ETH), die gegen Bitcoin gekauft werden konnten. Inzwischen beträgt der Wert aller ETH 32 Milliarden Franken. Er ist innerhalb von 3 Jahren zur Nummer 2 der Kryptowährungen aufgestiegen. Ebenfalls 2014 wurde Ripple (XRP) gestartet. Ripple hat das Ziel dem bestehenden Finanzsystem mit Hilfe der Bitcoin-Technologie das Leben zu erleichtern und diesem zum globalen, barrierefreien, anonymen Geldverkehr zu verhelfen. Der Gesamtwert von XRP beträgt heute 8 Milliarden und steht damit auf Platz 3. Es existieren mittlerweile ca. 1200 verschiedene Kryptowährungen mit einem Gesamtwert von 180 Milliarden Franken. Die Banken werden entweder selbst etwas auf Beine stellen oder versuchen die Kryptowährungen ganz verbieten zu lassen. Letzteres dürfte aber schwierig bis unmöglich sein, da Kryptowährungen völlig autonom funktionieren können.

Was mache ich jetzt mit meinen 3 Litecoins?

Wenn ich sie unterwegs ausgeben möchte, brauche ich eine App auf meinem Smartphone. Wenn ich sie einigermassen sicher aufbewahren möchte, installiere ich eine Software auf meinem PC, die meine Coins lokal bei mir speichert. Ich mache beides. Die Smartphone-App meiner Wahl heisst „Airbitz“. Sie verwaltet aber nur BTC. Also kaufe ich erst BTC bei „Coinbase“ und sende sie dann auf mein Airbitz-Konto auf dem Smartphone. Ich kaufe 0.01 BTC für 72.54 Franken. Ich sende 0.000764 BTC an mein Airbitz-Konto. Das kostet mich 0.002639 BTC inkl. Gebühren. Hoppla, mehr Gebühren als Geld. Coinbase hatte gewarnt, dass zur Zeit lange Wartezeiten und hohe Gebühren für BTC-Transaktionen entstehen können. Weitere BTC-Transaktionen verschiebe ich bis auf weiteres. Für die lokale Speicherung installiere ich „Exodus“. Ich sende 0.1 LTC auf mein Exodus-Konto. Das kostet mich 0.010045514 LTC. Schon viel besser, 4,5 Promille sind zu viel für’s Blut aber OK für Transaktions-Gebühren.
Mein Besitzstand beträgt 0.008 BTC und 2,9993 LTC
Ausgaben: 72.54 + 114.41 + 64.81 = 251.76 Franken
Guthaben: 0.008 BTC + 2.9 LTC = 239.92 Franken
Verlust: 11.84 Franken (15.11.2017 16:30)
3 Käufe und 2 Übertragungen = 5 Transaktionen getätigt.
Coins auf 3 verschiedenen Platformen parkiert.
Lehrgeld bezahlt.

Der Unterschied von Kryptos zu $, €, £ & Co.

1. Bitcoin sind ans globale Internet gebunden, die traditionellen Währungen an Institutionen wie die Amerikanische Notenbank (FED), die Europäische Zentralbank (EZB) oder die Schweizerische Nationalbank (SNB).
2. Sämtliche Bitcoin-Transaktionen werden in einer einzigen verschlüsselten Datei aufgezeichnet, welche tausendfach im Netzwerk vorhanden ist und bei jeder neuen Transaktion global und dezentral auf den neusten Stand gebracht wird. Transaktionen von traditionellen Währungen werden zentral, durch Zentralbanken, Geschäftsbanken, Kreditkarten-Unternehmen etc. durchgeführt und verwaltet.
3. Bitcoins können weltweit elektronisch von Individuum zu Individuum transferiert werden. Bei traditionellen Währungen ist das nur lokal mit Münzen und Noten nicht aber mit Buch- oder Giralgeld möglich.
4. Die maximale Anzahl BTC ist auf 21’000’000 beschränkt. Normale Währungen können in beliebiger Höhe erzeugt werden.

Natürlich ist das noch lange nicht alles, aber wer sich ein wenig mit dem Geldwesen auskennt ahnt schon, welche Gefahr der Bitcoin für das allmächtige globale Finanzsystem bedeutet. Der weltweite Zahlungsverkehr könnte völlig ohne Banken und andere Finanzdienstleister an staatlicher Einflussnahme vorbei abgewickelt werden, wenn die Menschen mehr Vertrauen in den Bitcoin als ins traditionelle Finanzsystem legen würden.

WWW, P2P und die Blockchain machen’s möglich.

Das Internet schafft den virtuellen Raum, zu dem Menschen, Maschinen, Geräte, Fahrzeuge etc. weltweit Zutritt haben. In diesem Raum können direkte Punkt-zu-Punkt-Verbindungen hergestellt werden. Wenn die Kommunikation im Netz zwischen zwei Punkten verschlüsselt stattfindet, hat ausser den beiden (und den Geheimdiensten) nichts und niemand Kenntnis vom vermittelten Inhalt. Die wahre Innovation am Bitcoin ist die Blockchain. Diese verschlüsselte, im Internet dezentral tausendfach vorhandene Buchhaltung macht es aus. Der Inhaber eines Bitcoin-Kontos erhält einen privaten Schlüssel. Mit diesem bestätigt er jede Transaktion, die sein Konto betrifft. Haben beide Teilnehmer bestätigt, wird die Transaktion geprüft, ausgeführt und eingetragen. Keine Transaktion kann je gelöscht und somit auch nicht rückgängig gemacht werden.

Vorläufiges Fazit:

Statt 10 Sack Kartoffeln für einen Pflug zu tauschen, kann der Bauer dem Schmied per Smartphone den Wert des Pflugs in Bitcoin senden. Der Schmid kann damit 10 Sack Kartoffeln bei einem Händler kaufen, sofern dieser Bitcoin akzeptiert. Das tut er dann, wenn der Bauer für seine Kartoffeln ebenfalls Bitcoin in Zahlung nimmt. Es gibt am 15.11.2017 gemäss Liste auf der SBB-Seite in der Schweiz genau 16 Akzeptanz-Stellen für BTC, eine davon in Winterthur. Kartoffeln und Pflüge sind keine dabei. Schade. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden. Einkaufen geht noch nicht. Sparen ist zu riskant. Spekulieren ist Geschmackssache. Aber – meine Prognose: Keine 5 Jahre wird’s mehr dauern und die Blockchain-Währung wird sich durchgesetzt haben.

Der Setzer-Lehrling

Der Gwunderi war als junger Mensch in die Stadt gekommen. Es war damals üblich, dass man nach der abgeschlossenen Schulzeit ein Handwerk erlernte, welches man dann während der gesamten Lebenszeit weiter ausüben und perfektionieren würde. Man verkaufte den grösseren Teil seiner Wachzeit um einen respektablen Beruf zu erlernen. Im dritten Jahr seiner vierjährigen Lehre reichte sein Lohn aus, um Unterkunft und Verpflegung zu bezahlen und so zog er in die Stadt, um mehr von der Welt zu erfahren, als das, was in dem kleinen Dorf seiner Kindheit zu erleben war.

Der Setzereisaal im obersten Stockwerk der Offizin hatte sechs Gassen mit Pulten auf Ellbogenhöhe. Jedenfalls für ausgewachsene Setzer. Unter den Pulten waren viele Schubladen, in denen Buchstaben, die meisten als Bleitypen, die grössten aus Holz oder Kunststoff, abgelegt waren. Sie waren sozusagen das Mise-en-place für die literarischen Erzeugnisse, die hier angefertigt wurden.

Dem jungen Burschen erschien die Bevölkerung des Setzereisaales wie ein bedrohlicher Albtraum mit verwunschenen Wesen aus einer fremden Welt. Von morgens um sieben bis abends um sechs standen die Setzer an ihren Pulten und machten unter Grunzen, Rülpsen und Furzen ihre Arbeit. Der Faktor residierte in einem gläsernen Aussichtsposten neben dem Korrektoren-Büro und stand von früh bis spät unter grossem Druck, was sich durch eilige Schritte, gerunzelte Stirn und unwirsche Antworten ausdrückte. Um Schlag sieben Uhr morgens musste jeder am Arbeitsplatz stehen, um sechs Uhr abends war das tägliche Gedränge in der Garderobe: Händewaschen, Umziehen, Davoneilen.

Den 8 Lehrlingen stand ein Ausbilder zur Seite, der dafür zu sorgen hatte, dass neben der täglichen Arbeit auch Fortschritte in den handwerklichen Fähigkeiten erzielt wurden. So war es für eine erfolgreiche Abschlussprüfung erforderlich, ein fehlerfreies Bleiklotz-Puzzle aus 1500 Buchstaben innerhalb einer Stunde herzustellen. Die jüngeren Lehrlinge befassten sich sonst hauptsächlich damit, aus ausgedruckten, gelagerten Sätzen von Todesanzeigen und Danksagungen neue Todesanzeigen und Danksagungen herzustellen. Meist brauchten dafür nur der Name und das Todesdatum des Verstorbenen und die Trauerfamilie ausgewechselt zu werden. Die Puzzle-Teile mussten perfekt und kompakt zum Satz gebunden werden, sonst wären locker sitzende Buchstaben abgebrochen und hätten die Andruck-Presse demoliert.

Eine weitere Lehrlings-Beschäftigung bestand darin, nicht mehr gebrauchte Schriftsätze zu rezyklieren. Grössere Stücke wie Stege und Quadranten wurden in die entsprechenden Fächer auf dem Pult zurückgelegt. Buchstaben und Wort-Abstände mussten zurück ins richtige Fach des richtigen Setzkastens. Bei dieser Arbeit schlich die Zeit im Schneckentempo dahin und die Gedanken schweiften ab und liessen Zweifel aufkommen über Sinn und Zweck des Berufslebens im Allgemeinen und des Lehrlingslebens im Besonderen.

Der junge Gwunderi spürte bald, dass es vielleicht noch besseres zu erleben gäbe, als diese Arbeitstage, die er sich zwar selbst ausgesucht hatte, aber sich vielleicht gar nicht oder jedenfalls anders vorgestellt hatte. Er beschloss durchzuhalten und auf das Leben danach zu hoffen. Es gab auch Dinge, die erfreulicher waren, als die normalen Wochentage in dieser bleiernen Männerwelt.

Seit zum ersten Mal aus dem Radio „Twist and Shout“ von den pilzköpfigen Käfern in sein Ohr gedrungen war, hatte sich einen Spalt breit die Tür zu einer Welt geöffnet, die andere Dinge versprach, als Erwachsen werden, Geld verdienen, Familie gründen, Beten und Arbeiten. Der archaische Dschungel-Voo-Doo schüttelte ihm Körper und Seele gründlich durch und liess ihn fortan nicht mehr los.

Über den Umweg als Rhythmus-Gitarrist einer Tanzkapelle wurde er zu einem der drei bekannteren Beat-Schlagzeugern seiner kleinen Stadt. Da sich derartige Dinge vorzugsweise des Nachts abspielten, geschah es eines Tages, dass der Gwunderi infolge seiner Übermüdung das Wetter des gesamten Einzugsgebietes der Tageszeitung, die in seinem Lehrbetrieb hergestellt wurde, durch einen unkonzentrierten Griff zum Totaleinsturz brachte.

Da dieses filigrane Puzzle aus kleinsten Blei- und Messing-Teilchen bis zum Druck der Zeitung unmöglich wiederhergestellt werden konnte, gab es an diesem Tag in der Region überhaupt gar kein Wetter, was eine Recherche in den alten Zeitungsarchiven zweifellos bestätigen würde.

Trotz dieser frevelhaften Einmischung in die Naturgewalten wurde der Gwunderi zuerst im kalten Fischli-Brunnen zum Jünger Gutenbergs getauft und endlich anlässlich eines Trinkgelages nahe der Mörsburg mit Brief und Siegel in den geschichtsträchtigen Orden der Schwarzkünstler aufgenommen. Durch die Vermittlung seines Fachkunde-Lehrers, den offenbar die kleinen Cartoons in Gwunderis Heften beeindruckt hatten, vertauschte er sogleich Satzschiff, Winkelhaken und Kolummnenschnur mit Massstab und Skalpell, mit denen er so manches Scheibchen seines linken Daumens oder Zeigefingers abtrennte.

Wie es dem Gwunderi in der Welt der Grafiker und Werbeagenturen erging, erfährst du vielleicht in einer anderen Geschichte, die erst noch geschrieben werden muss.

Böser Traum und ein Stein

Das kochende Wasser über dem kleinen Feuer auf trockener Erde verdampfte in die milde Nachtluft, als der Ruf der Eule den Blick des einsamen Wanderers weg vom plätschernden Bach hin zur mondbeschienenen Festung auf dem bewaldeten Hügel lenkte. Er ging in Gedanken noch einmal den ganzen Weg, den er durch reiche Städte, arme Hütten, blutige Schlachtfelder und versteckte Siedlungen hierher, ans Ziel seiner Bestimmung gegangen war.

Nun, da er angekommen war, hatte er keine Eile mehr, die Tat auszuführen, die er sich in tausend Einzelheiten wohl zehntausendmal auf alle möglichen Arten ausgemalt hatte. Nun galt es um jeden Preis den Erfolg im Auge zu behalten und nicht durch unbedachte Aktionen das zu gefährden, was ihm der einzige Sinn und Zweck seines Daseins geworden war.

Gerade als er im Begriff stand, den gefleckten Schierling, die schwarzen Tollkirschen und den roten Fingerhut, die er unterwegs gesammelt und getrocknet hatte, ins kochende Wasser zu werfen, kam ihm aus der Dunkelheit ein Licht entgegen. Als er genauer hinsah, erkannte er einen prächtigen Hirsch mit fluoreszierndem Geweih.

Er steckte die giftigen Pflanzen zurück in den Beutel und indem er sich langsam aufrichtete, wandte er sich der übernatürlichen Erscheinung zu. Kaum war er in die aufrechte Position gekommen, verschwand der Hirsch mitsamt dem Licht und liess den verwunderten und ertappten Wanderer zurück, dessen Gedanken wie durch einen Wirbelsturm erfasst und durch die Lüfte geschleudert erst wieder zur Ruhe kamen, als er bemerkte, dass sein Feuer keine Nahrung mehr hatte und langsam erstarb.

Natürlich kannte er die Sage von der Heiligen Ida, die durch einen solchen leuchtenden Hirsch vor dem sicheren Tod gerettet worden war, nur war diese Geschichte eine sehr alte Geschichte und an Wunder glaubte der vielgeprüfte Wandersmann schon längst nicht mehr. Und doch schien ihm, dass die Gleichzeitigkeit der Erscheinung des leuchtenden Hirsches mit dem Brauen des Gifttrankes eine tiefere Bedeutung haben müsse. Da das Feuer aus, das Wasser erkaltet, die Erde weich und die Luft lau war, legte er sich nieder und schlief bald ein.

Die verwirrende Erscheinung hatte zur Folge, dass die Träume des Wandersmannes die widersprüchlichsten Darstellungen aufführten, die man sich nur denken kann. So steckten sieben Schwerter in einem grossen Findling, vor diesem lagen 3 leere Becher, die durch 10 tanzende Haselruten umgeworfen worden waren und überall verstreut lagen an die tausend Goldtaler herum. Inmitten dieser Szenerie sass ein uralter König mit langem grauem Haar und Bart reglos auf seinem morschen Thron, sein Blick gesenkt, auf die leeren, umgestossenen Kelche gerichtet. Der Wandersmann versuchte die Gefässe aufzurichten, diese waren jedoch auf keine Art und Weise zu bewegen, und so blieb nichts weiter zu tun, als den König anzusprechen und zu fragen, was denn diesen traurigen Zustand herbeigeführt habe.

Kaum war die Frage ausgesprochen, befand sich der Wanderer auf einem Schlachtfeld und sah sich selbst auf beiden Seiten mit dem Schwert kämpfend. Dann sah er mit Schrecken, dass die Zwillinge in dem wüsten Schlachtgetümmel unweigerlich aufeinandertreffen mussten. Gleichzeitig holten sie zum Todesstoss aus und als die Schwerter sein Herz trafen, wachte der Wanderer schweissgebadet auf.

Die frische Erinnerung an seinen Traum und die vorausgegangene Erscheinung liessen ihn darüber grübeln, was das alles bedeuten könnte. Gewiss, es war eine böse Tat, die er vorhatte, aber konnte es nicht sein, dass das Böse nur mit bösem bestraft, vernichtet, und aus der Welt geschafft werden konnte?

Und wahrlich, es gab keinen Zweifel, das Böse hatte da oben, in der Festung auf dem Hügel seinen Ursprung und vergrösserte seine Macht und seinen niederträchtigen Einfluss auf alles, was in seine Nähe geriet. Und so war auch der Wanderer zu dem finsteren Mordgesellen geworden, der nur noch seinen düsteren Plan in die Tat umsetzen wollte, der auf seinem langen Weg durch Welt und Zeit in ihm gewachsen war.

Über dem neu entzündeten Feuer wollte er jetzt den giftigen Trank brauen. Er machte sich auf um frisches Wasser vom vorbeifliessenden Bach zu holen.

Als der Wanderer sich bückte, um an einer etwas tieferen Stelle des Baches seinen kleinen Krug mit klarem Wasser zu füllen, traf sein Blick auf einen schön geformten Stein, der ruhig im Wasser lag. Er griff nach ihm und brachte damit die Ordnung in der kleinen Vertiefung durcheinander. Ein kleiner Krebs floh unter den nächsten Kullerstein und feiner Sand verteilte sich im Wasser, so dass der Wanderer mit dem Füllen seines Kruges solange warten musste, bis sich im Tümpel das Wasser wieder geklärt hatte.

Der Wanderer wog den Stein in seiner Hand und seine Wut überlegte gerade, wem er ihn mit voller Kraft entgegenschleudern könnte, als seiner Weisheit etwas einfiel, das sie vor langer Zeit angenommen hatte: „Wer da ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein.“ Seine Wut legte sich und sein Interesse wandte sich dem Stein zu. Dieser war perfekt geformt, rund, aber flacher als eine Kugel und dicker als eine Linse. Die unzähligen Farben des Materials verschmolzen bei zunehmender Abtrocknung zu einem heller werdenden Grau. Der Stein schmiegte sich sanft an die Nervenenden seiner Handfläche an und der alte Sammlertrieb in ihm verführte ihn mit „Man kann ja nie wissen …“ dazu, den Stein als etwas möglicherweise Wertvolles einzustecken und vorerst bei sich zu behalten.

Er nannte ihn Einstein. Nicht Meinstein, da er ihn vielleicht nicht für immer behalten würde. Auch nicht Derstein, weil er ja nicht wusste, ob er wertvoll war. Einfach Einstein, weil er nun bei ihm angekommen war. So wie Robinson seinen Mitbewohner auf der einsamen Insel einst Freitag genannt hatte, weil er ihm an einem Freitag zum ersten Mal begegnet war.

Einstein war, wie alles auf dem Planeten, einst aus Sternenstaub entstanden und war auf seiner unendlich langen Reise durch Raum und Zeit zu dem geworden, was er jetzt war. Genauso wie der Wanderer auch, der nun in ihm einen Begleiter für seinen weiteren Weg gefunden hatte. Immer wenn der Wanderer für eine Weile nichts anderes zu tun hatte, betrachtete er Einstein und liess seinen Gedanken entspannt und ruhig freien Lauf. Der in perfekter Form zur Ruhe gekommene Sternenstaub kühlte seinen Zorn und wärmte sein Herz mit der in ihm gebundenen Kraft.

Einstein kam aus dem Wasser, war aus gepresster Erde und trocknete an der Luft. Der Wanderer trug ihn zum Feuer und so waren die vier alten magischen Elemente alle versammelt. Der Wanderer fühlte sich nun stark genug, auch ohne einen giftigen Trank dem verschworenen Kreis in der Festung gegenüberzutreten und seine Klagen vorzubringen. Mit Einstein in der Tasche glaubte er die Mächtigen davon überzeugen zu können, dass sie auf dem falschen Weg waren, dass alles Übel auf dem Planeten ihr Werk war und nur durch sie aus der Welt geschafft werden konnte.

Die Übel auf dem Planeten waren viele. Viele Planetenbewohner hatten nichts zu essen und kein Dach über dem Kopf. Manche Planetlinge lebten im Überfluss und liessen sich von abgebrühten Söldnern bewachen. Wer nichts hatte bekam nichts. Wer viel hatte bekam alles. In den Städten herrschte die Angst und jeder schaute nur für sich. Wer ein bisschen Guthaben ergatterte gab es für Hoffnungszahlen mit Gewinnchancen aus. Die meisten Bewohner waren arm und verkauften ihre verbliebene Lebenskraft für ein paar Brosamen.

Der Innere Zirkel hatte alles aufgelöst, was die Menschen einst verbunden hatte. Es gab keine Versammlungen mehr, keine Konzerte, keine Ausstellungen, keinen Staat, keine Kirche, keine Schulen, keine Universitäten, keine Wissenschaft. Es gab nichts mehr, was denen da oben hätte gefährlich werden können. Der Innere Zirkel war die Macht, das Gesetz und das Gericht. Man hatte schon so lange kein Mitglied des Zirkels mehr gesehen, dass niemand wusste wo und wer sie waren.

Der Wanderer wusste – immerhin – wo der Innere Zirkel seine Festung hatte, aber das ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt wird.

Das Buch vom Wanderer

Kannst du dich daran erinnern, wie du lesen gelernt hast? Sicher hast du damals Buchstaben gezeichnet. Vielleicht zuerst die von deinem Namen. Ein Text aus der ersten Klasse ist mir geblieben: „Tuut tuut ein Auto. Es fährt so schnell.“ Neunzehnhundertdreiundfünfzig war das eine sinnvolle Warnung für einen Sechsjährigen. Was da alles auf ihn zukommt: Die Buchstaben, das Hochdeutsche und ein Auto. Eine magische Wirkung auf meine kindliche Seele muss das gehabt haben.

Hast du dir eigentlich schon einmal überlegt, was los ist, wenn du zu lesen beginnst? Vielleicht wolltest du auf andere Gedanken kommen. Vielleicht hattest du keine Lust darauf eine lästige Pflicht zu erledigen. Vielleicht wolltest du etwas überflüssige Zeit überbrücken. Im schlimmsten Fall war der Lesestoff die pure Notwendigkeit und im Besten das Interesse am versprochenen Inhalt.

Da du sehr wahrscheinlich Mitglied des westuropäischen Kulturkreises bist, entzifferst du als erstes das Zeichen ganz oben links. Der ist fast sicher einer der 20 Konsonanten, der 6 Vokale oder der 10 arabischen Zahlen. Das macht zusammen 36 Zeichen, genau so viele wie der Jass Karten hat. Wie du weisst kann jeder, der das will, die 36 Karten unterscheiden und erinnern. Die nachhaltige Existenz verdanken Spielkarten wie Schriftzeichen der Magie, die durch die unendlichen Möglichkeiten der Zusammenstellung von endlichen Symbolen entsteht.

Also, ganz links oben steht vielleicht ein A. Ein Stimmlaut. Der möchte gern ausgesprochen werden. Vielleicht hingehaucht, oder vollklingend entlässt er Spannung aus Körper und Seele und füllt den Raum zwischen Vergangenem und Zukünftigem. Sag „A“. Versuche es einfach, wenn grad niemand in der Nähe ist, der es hören und dumme Fragen stellen könnte.

Du hast Glück, dass ich nicht das ganze Alphabet auf diese Weise durchgehe. Nur noch etwas über die Zahlen muss ich loswerden: Das erste Zeichen oben links könnte auch die Eins sein. Zahlen sind für die Logik zuständig. Ihre Magie ist die reine Wahrheit. 1 + 1 = 2. Daran lässt sich nicht rütteln. 1 Apfel und 1 Birne sind 3 Früchte geht nicht. Eine Birne und 1 Apfel sind 2 Äpfel geht auch nicht. Zahlen beginnen erst im Zusammenspiel mit Worten so richtig zu leben: 3 Fragezeichen, 7 Raben, 1001 Nacht.

Mit Schriftzeichen, zu Wörtern, Sätzen oder ganzen Büchern geordnet, lassen sich Welten erschaffen und zerstören. Laut gelesen werden sie zu Tönen, die wiederum Gefühle in uns auslösen und mit ihnen verbundene Erinnerungen wachrufen und uns so in einen Zustand künstlichen Erlebens bringen.

Kennst du die Buchstaben oder die Sprache nicht, wird ein Text, geschrieben oder gesprochen, zum Geheimnis, das du nur zu gerne erfahren möchtest, weil du vielleicht gerade in diesem Text die Antwort auf deine Fragen bekommen könntest.

Du wirst mir vielleicht glauben, dass auch mich solche Fragen beschäftigen, auf die ich keine befriedigende Antworten gefunden habe. Was liegt für einen mangelhaft Gebildeten wie mich näher, als diese Antworten da zu suchen, wo bald alles, was Menschen erdacht, erfunden, gelogen, gezwitschert, fotografiert, gezeichnet und gefilmt haben, in unüberschaubare Kaskaden von Ja- und Nein-Symbolen übersetzt und für jeden sofort abrufbar gesichert und gespeichert wird.

Und tatsächlich, ich habe sie gefunden, die Antworten auf alle Fragen. Es war ein langer Weg, aber da ich ihn nun mal gegangen bin, möchte ich dir nicht vorenthalten, was mir so lange verborgen geblieben ist. Vielleicht bin ich ein Schwindler, das zu beurteilen überlasse ich dir und rate dir von ganzem Herzen, niemals die Symbole mit der Wirklichkeit zu verwechseln.

Schon lange, seit der Gwunderi Lesen, Schreiben und Schriftsetzen gelernt hatte, hatte sich in seinem Kopf der Wunsch festgesetzt, einmal im Leben ein Buch zu schreiben. Nun, da er am hinteren Ende der Lebensreise angekommen war, fand er endlich die Musse, sich eingehender mit diesem Vorhaben auseinanderzusetzen. Wie er es bei der Arbeit gelernt hatte, versuchte er zuerst eine Struktur zu entwerfen, die er dann nach und nach mit geeigneten Inhalten zu füllen hoffte. Es sollte auf der Basis seiner gesammelten Lebenserfahrungen die Geschichte eines fiktiven Wanderers werden.

Vier grosse Abschnitte mit je 4 Kapiteln. Spannende emotionsgeladene Titel waren schnell gefunden:

Der Wanderer
– Das Finstertobel
– Die Himmelsleiter
– Der Kristallberg
– In alle Winde

Die Gottheit
– Die Mordburg
– Verlorener Glaube
– Eine andere Welt
– Das Ende der Zeit

Das Schicksal
– Licht und Schatten
– Kreuz und Quer
– Von Stern zu Stern
– Anfang und Ende

Heimkehr
– Erinnerung
– Der kleine Kreis
– Herbstwinde
– Der Diamant

Da es noch einige Zeit dauern kann, bis der Gwunderi dieses umfangreiche Werk – wenn überhaupt – fertiggestellt hat, werde ich an dieser Stelle in unregelmässigen Abständen die eine oder andere Szene aus des Gwunderis „Wanderer“ veröffentlichen. Und ich höre jetzt endlich damit auf, über Buchstaben, Zahlen, Zeichen und Symbole zu schwafeln, sondern verspreche hoch und heilig, in Zukunft diese in einer möglichst lesenswerten Art und Weise zu kombinieren.