Das Foto vom Teufel

Ich erzähle dir diese Geschichte einzig und allein deshalb, weil mir dieser Titel eingefallen ist. Und weil in ihm eine besondere Magie steckt. Natürlich muss ich die Geschichte erstmal in die Vor-Photoshop-Zeit verlegen, weil man damals ein Foto noch als Abbild der realen Welt betrachtete. Der Fotograf konnte zwar etwas inszenieren, retouchieren oder ineinanderkopieren, aber wenn er ein respektierter Berufsmann war, glaubte man ihm, wenn er sagte, das Foto wäre ohne solche Tricks entstanden.

Und so geschah es:

Der Gwunderi war eines schönen Morgens als Fotograf erwacht. Er dachte, es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn er kein Foto vom Teufel machen könnte. Er hatte davon gehört, dass man den Teufel an seinen Taten erkennen würde und dass er manchmal im Detail steckte. Den Teufel kann aber einer nur fotografieren, wenn er ihm begegnet. Also machte sich der Fotograf auf, den Leibhaftigen aufzuspüren. Er schulterte die schwere Tasche mit der Kamera und den Spezialobjektiven und machte sich auf den Weg.

Er war mit dem ersten Hahnenschrei aufgebrochen und gegen Mittag machte er Rast im Garten des Restaurants zum Kreuzweg, das die vorbeiziehenden Fuhrleute zu Speis und Trank einlud. Eben hatte die Serviertochter mit einem „Zum Wohl!“ sein grosses Bier vor ihm aufgebaut, als der Teufel um die Ecke schlenderte und sich zu ihm herabneigte. „Ist es erlaubt?“ und ohne die Antwort abzuwarten setzte er sich neben dem Fotografen auf die lange Holzbank.

Der Teufel hatte nichts besseres zu tun, als sich den helllichten Tag um die Ohren zu schlagen, da er seine bösen Werke lieber im Dunkeln und des Nachts vollbrachte. Das fahle Gesicht unter dem schwarzen Zylinderhut liess den Gwunderi vorsichtig sein, als er gefragt wurde: „Wohin des Wegs?“. Er sagte also nicht „Ich suche den Teufel, damit ich ihn fotografieren kann“ sondern „Ich bin auf Motivsuche für ein einmaliges Foto“. „Was soll es denn werden?“ fragte der Teufel, der natürlich wusste, was dem Gwunderi im Kopf herum ging. „Ich weiss noch nicht, ich lass‘ mich überraschen“ log der Fotokünstler dem Teufel vor.

„Dann mach doch ein Portrait von mir!“ sagte der Teufel und „Du wirst es nicht bereuen“. Der Fotograf wurde ärgerlich, weil er sein Bier nicht in aller Ruhe geniessen konnte, wenn ihm sein ungebetener Nachbar so auf den Pelz rückte. Die Serviertochter brachte ihm sein kaltes Plättli und wünschte „En Guete!“, dann sah sie dem Teufel fragend ins Gesicht „Was darf ich ihnen bringen?“. Er bestellte ein Glas Hahnenwasser und weil er der Serviertochter nicht geheuer war und sie keine Lust auf Schwierigkeiten hatte, sagte sie nichts weiter und verschwand im Gasthaus.

Dem Fotografen kam langsam die Galle hoch und so bot er dem Teufel einen Handel an: „Wenn du mich nachher in Ruhe lässt und deiner Wege ziehst, mache ich dein Foto und schicke es dir zu, wenn es fertig ist.“ Der Teufel war einverstanden und der Fotograf holte die Kamera aus der Tasche, suchte den Ausschnitt und drückte auf den Auslöser. Er machte Hoch- und Quer-Aufnahmen, Belichtungs-Varianten, zoomte aus und ein und hörte erst auf, als der Film voll war. Der Teufel stand auf, verbeugte sich leicht, murmelte etwas unverständliches und machte sich um die Ecke davon.

Die seltsam unangenehme Begegnung liess den Fotografen aber nicht so schnell los. Das Bier schmeckte schal und das Plättli war kein Genuss und der Tag war verdorben. Er verlangte die Rechnung, bezahlte und machte sich betrübt auf den Heimweg. Es fiel ihm ein, dass der Fremde vergessen hatte, seine Adresse zu hinterlassen, so brauchte er sich auch nicht die Mühe zu machen, den Film zu entwickeln, die Vergrösserung zu machen und wie abgemacht zu schicken. Zuhause zog er den Film aus der Kamera, dachte „Zum Teufel damit!“ und schmiss ihn in den Eimer. Nun war ihm wohler und er hoffte auf einen neuen, guten Tag.

Und so wurde, wie du siehst, einmal mehr die Gelegenheit verpasst den Leibhaftigen, zum endgültigen Beweis seiner Existenz, auf Celluloid zu bannen und für die steckbriefliche Warnung vor ihm auf der ganzen Welt zu verbreiten. Der Teufel aber ist seither dem Gwunderi noch manches Mal über den Weg gelaufen, weil er seinen Teil des Handels nicht erfüllt hat.

Einen fotografischen Beweis für das Wirken des Teufels habe ich im Internet gefunden. Die Seite zeigt ein aktuelles Bild einer Autobiographie, die vom Teufel verbrannt wurde, gehalten von P. Ioannes Zubiani, in Rom, Italien. Ich gebe hier gerne den Link an: http://www.stgemma.com/gallery/ger_diary.html

Das zeigt zum einen, dass man einem Schwindel eher auf den Leim geht, wenn er von möglichst viel Brimborium begleitet ist, und zum anderen, dass der Teufel vermutlich katholisch konservativ ist.

3 thoughts on “Das Foto vom Teufel”

  1. Dank Dir lieber Max,
    wir sollten doch schon irgendwie und unbedingt zu einer Foto kommen, so können wir den finsteren Tagschlenderer mit unseren Montagen dorthin versetzen wohin wir wollen.

    Schweissgrüsse
    Martin

    Ps. Gratulation zur Geschichte!

  2. Jetzt les’ich noch schnell Max‘ neueste Geschichte vor dem Ins Bett Gehen – und wieder bin ich ziemlich begeistert: Super! Es hat etwas von einem Johann Peter Hebel, eine Art Bauern- oder besser Tösstalschläue, die in naivem Ton daherkommt. Die Geschichte würde sich aber auch gut in einen Franz Hohler-Sammelband einfügen lassen.
    Zu denken gibt die Bestellung: (Ein kaltes Plättle würde natürlich auch zu ihm gut passen.) Warum Hahnenwasser? Knapp bei Kasse? Sympathie für die Feuerwehr? AA? Übergewicht? Oder will er sich schrittweise mit dem Weihwasser anfreunden? Jedenfalls fügt diese Vorliebe dem doch etwas groben Bild, das wir von ihm haben, eine interessante Einzelheit hinzu.

  3. Zum Teufel mit dem Teufelszeug das dem Teufel da „abem Charre gheit isch“. In Teufels Küche kommt, wer auf Teufel komm ‚raus den Teufel sucht und dann auch noch, im Detail steckend, findet. Um’s Teufels Willen, hol’s der Teufel! – 13. Juli 2015 / wängg

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