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Ans Schwarze Meer

Bis die Einladung zur bulgarischen Hochzeit meines Neffen und Göttibuebs eintraf, hatte ich mir zu Bulgarien noch keine Gedanken gemacht. Osteuropa, Rumänien, Graf Dracula, Balkan, eine finstere Gegend am Schwarzen Meer.
Also erst mal Googeln und sehen ob man da im Juni schon Badeferien planen kann. Die Antwort war „Ja“. Also haben wir zugesagt und 2 Wochen Bulgarien zu planen begonnen. Erst an die Hochzeit mit den Gästen aus der Schweiz und aus Bulgarien und dann ans Schwarze Meer.

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So schnell Bulgarisch lernen ging nicht, also war die Frage, ob man mit Deutsch und Englisch durchkommt. Ich war zuversichtlich und als ehemaliger Typograf gespannt auf die Bulgarischen Schriftzeichen. Meine Partnerin Ruth hatte Zweifel und recherchierte die Hotels an der Schwarzmeer-Küste. Mit der Hilfe des Brautpaars kam dann nach und nach der Ferienplan zustande, der Kreuz und Quer durch Bulgarien verlief.

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Dann waren die Koffer gepackt und wir unterwegs zum Vorabend-Check-In am Flughafen. Wo wir sonst in den labyrinthischen Absperrungen mit anderen Reisenden in der Schlange stehen mussten, war diesmal alles viel gemütlicher. Wir sind die einzigen bei einer freundlichen Dame am Bulgaria-Air-Schalter, die noch Zeit für ein Schwätzchen hat und dann unsere Koffer im Airport-Bauch verschwinden lässt.
Dann am nächsten Morgen 2 Stunden Flug nach Sofia, zusammen mit weiteren bekannten und unbekannten Hochzeitsgästen.

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Mit einem kleinen Personenbus werden wir vom Brautvater und einem Chauffeur abgeholt und nach Tryavna, einem Kurort in den Bulgarischen Bergen gefahren. Es ist eine lange Fahrt auf teilweise holprigen Strassen die über einen kleinen Pass in den Heimatort der Braut führt. Wo immer ich kann, versuche ich die kyrillischen Wörter zu entziffern. Strassentafeln sind meist auf beide Arten beschriftet und so kommt in meinem Repertoire immer wieder ein neues Zeichen dazu.

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Im Hotel treffen weitere Schweizer Gäste ein, die ein paar Tage früher angereist sind und eine kleine Bulgarien-Tour hinter sich haben. Am Abend gibt’s ein gemeinsames Essen im „Goldenberg“, einem Hotel am Hügel gegenüber von unserem, das natürlich nicht so heisst, aber mich an den Winterthurer Goldenberg erinnert. Wir lernen die eigenartigen Bulgarischen Essgewohnheiten kennen: Erst ein grosser Salat mit viel Käse darüber, dazu ein oder zwei Glas Schnaps aus Trauben oder Pflaumen. Die Flasche auf den Tisch. Nach etwa zwei Stunden plaudern, trinken und Salat essen bestellt man Wein und Fleisch vom Grill für alle. Dazu spielt der DJ so laute Musik, dass man sich mit schreien und gestikulieren verständlich machen muss oder an die frische Luft zum rauchen und plaudern geht.

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Am nächsten Tag stehen die Hochzeitsfeierlichkeiten auf dem Programm. Schönes Wetter, eine wunderschöne Braut, festlich gekleidete Menschen, liebevoll vorbereitete Häppchen, professionelle Fotos und viele Sonnenblumen. Am Abend Tische mit einheimischen und ausländischen Gästen, grosszügige Geschenke, Riesentorte, Produktionen, Musik und Tanz und das bulgarische Festmenu, beginnend mit dem Salat und dem Schnaps dazu und dann weiter …

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Wir bleiben noch 2 Tage in Tryavna, wo sich das Hotel mit Cars voller Schüler füllt, die hier so etwas wie ein Ferienlager mit Disco haben, was zu unruhigen Nächten führt.

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Ein Wolkenbruch überrascht uns im Städtchen, wir flüchten erst zu „Rosie“ in den Kleiderladen, was gut für ihren Tagesumsatz ist. Dann versuchen wir ein Taxi zu bekommen, was sich als sprachlich schwierig herausstellt. Dann halt unter Dach ein Bier trinken und warten bis das Unwetter vorbei ist. Auf dem Rückweg zum Hotel steht die Strasse unter Wasser und wir sind froh, dass unser Hotel noch da steht, wo wir es verlassen haben.

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Am Dienstag werden wir privat von Tryavna nach Ravda (ca. 3,5 Std.) ins Peter-Hotel gefahren. Die Fahrt geht erst durchs mit Mischwald bewachsene Bergland und dann über die neue Autobahn Richtung Burgas ans Schwarze Meer. Der Fahrer hat einen Begleiter mitgenommen. Eine Unterhaltung in Deutsch, Englisch oder Russisch wäre so oder so daran gescheitert, dass die einen das eine und die anderen das andere aber niemand das selbe kann. So geniessen wir die vorbeiziehende Landschaft und kommen wohlbehalten im Hotel an.

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Das uns zugewiesene Zimmer ist etwas klein und schaut nach hinten statt aufs Meer. Aber man ist flexibel, wir müssen ein bisschen warten und bekommen dann ein schönes Zimmer mit Blick durch Nadelbäume aufs Meer. Nur das Wetter will noch nicht so recht, aber dafür kann ja ausser Petrus niemand was und so richten wir uns für eine gute Woche hier ein.

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Ganz in der Nähe liegt Nessebar (bulgarisch Несебър), auf einer kleinen felsigen Halbinsel, ein sehr touristischer Ort mit einer jahrtausende alten Geschichte. Wir fahren mit dem Taxi hin und als wir aussteigen geht ein wolkenbruchartiger Regen nieder. Wir flüchten in ein Restaurant am Hafen und lassen uns mit Speis und Trank verwöhnen, bis es draussen wieder ohne Schirm weitergehen kann. Im überdachten Markt schwirren Schwalben unmher, die in den vielen Nestern den Nachwuchs füttern.

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Am Hafen mache ich das tolle Foto mit dem angebundenen Schiff und werde dabei von hinten fotografiert. Auf dem grössten Platz ist eine Bühne aufgestellt, wo Kinder zu lauter Musik ihre Tanzproduktionen aufführen. Wir bummeln durch den Ort. Die Altstadt von Nessebar ist ein Freilichtmuseum. Es soll hier 40 Kirchen aus allen möglichen Zeitaltern geben. Überall Touristen, Boutiquen, Restaurants, Souvenirs und Schwalben. Und auf jedem Kamin eine Möve.

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Den nächsten Ausflug, nach Burgas, wagen wir mit dem öffentlichen Bus. Ausser dass er ein halbe Stunde zu spät eintrifft, klappt das wunderbar. Man steigt ein und die Billetverkäuferin, die mitfährt, verkauft die Tickets. Wir fahren an riesigen Plattenbauten mit abenteuerlich verwitterten Balkonen vorbei. Am Bahnhof von Burgas steigen wir aus.

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Burgas liegt in der Burgasebene, östlich der Oberthrakischen Tiefebene in der Bucht von Burgas, an der westlichen Küste des Schwarzen Meeres. Die Bucht und die Stadt sind der westlichste Punkt des Schwarzen Meeres. Nach dem Flanieren im Zentrum kommen wir zum riesigen Park, der sich der Küste entlang ausbreitet. Nach einem Lavazza-Espresso gehts wieder mit dem Bus zurück nach Ravda.

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An einem anderen Tag nehmen wir den Bus zum nahegelegenen Pomorie. Die Stadt wird vor allem von Familien besucht, welche die in unmittelbarer Nähe gelegenen flachen Strände schätzen. Wir bleiben im Schatten und lassen uns die feinen Muscheln schmecken.

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Jeden Abend gibt’s Essen mit Fussball. Alle Restaurants haben mindestens einen Fernseher aufgehängt. Beim Bestellen bekommen wir trotz Bildli auf der Menukarte nicht immer das, was wir uns vorgestellt haben. Aber wir trösten uns mit den wirklich feinen Tomaten, dem guten einheimischen Rotwein und den sensationell günstigen Preisen.

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Auf der Heimreise haben wir noch zwei Tage Sofia eingeplant. Früh am Morgen fährt uns der Hotelangestellte, der immer den Frühstückskaffee gemacht hat, zum Flughafen. Bei guter Sicht auf die Landschaft überfliegen wir fast ganz Bulgarien von Ost nach West.

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Der Empfang in der Hauptstadt ist deprimierend. Erst der brummige Taxifahrer, dann das dunkle, kleine Hotelzimmer mit dem 1,4 Meter schmalen Doppelbett, dem fleckigen Teppich und dem Fenster auf die laute Strasse. Wir packen gar nicht aus und flüchten auf die Strasse, wo wir uns erst orientieren müssen wo wir sind und was wir wollen. Nach einem Lavazza-Espresso und einem Besuch in der Innenstadt bessert sich die Laune und zurück im Hotel fragen wir nach einem schöneren Zimmer im fünften Stock mit Blick über die Stadt und bekommen es auch, nachdem wir klargemacht haben, dass ein paar Euro mehr kein Problem sind.

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Am Abend treffen wir uns mit den Neuvermählten, die in Sofia arbeiten und wohnen. Wir verbringen einen gemütlichen Abend bei einem feinen Essen. Salat mit Schnaps darf bei mir natürlich nicht fehlen.

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Am nächtsten Tag treffen wir die beiden über Mittag. Wir besuchen den „Frauenmarkt“, wo alles Essbare, wie Früchte, Gemüse, Gewürze Fleisch, Käse und so weiter zu noch günstigeren Preisen als sonst schon zu Kaufen sind.

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Dann verabschieden wir uns und fahren mit der Metro zur Alexander-Newski-Kathedrale, dann zu Fuss zum Vitosha-Boulevard, der Flaniermeile der Hauptstadt.

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Eine eigenartige Spezialität von Sofia sind die „Bauchläden“. Der Verkäufer liegt im Kellerfenster und verkauft Waren, die rund ums Kellerfenster ausgebreitet sind.

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Mittlerweile kommen wir in Sofia mit dem Stadtplan und dem öffentlichen Verkehr gut zurecht. Aber wir müssen zurück nach Hause ans Albanifest. Wir nehmen viele Eindrücke mit und aus dem grauen Fleck Bulgarien ist ein buntes Bild mit kleinen Geschichten geworden.

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